Fritz Rüthemann

Fritz Rüthemann

01.10.2019
Erstellt von
Angelegt am 11.10.2019
1.069 Besuche

Neueste Einträge (1)

So alt wie ein ganzes Jahrhundert

11.10.2019 um 14:23 Uhr von NWZ

 

Der Jubilar lebt gerne mit seiner Frau Erna in Sandkrug. Das fühle sich wie Urlaub an, verrät er.

 Streekermoor 1919. Damals war das Fernsehen noch nicht erfunden. Das geschah erst sieben Jahre später – in schwarz-weiß. Zehn Jahre sollte es sogar noch dauern, bis der medizinische Nutzen der Antibiotika erkannt wurde und der schottische Bakteriologe Alexander Fleming das erste „Penicillin“ herstellte.

 1919. Das klingt weit weg und ist dennoch Fritz Rüthemanns Geburtsjahr. Der in Streekermoor lebende Senior vollendet an diesem Samstag sein 100. Lebensjahr. Damit ist er laut Verwaltung der älteste Mann in der Gemeinde Hatten. Nur eine Frau in Kirchhatten, die am 1. Oktober Geburtstag hat, ist noch ein knappes Jahr älter. Danach folgen nach Informationen aus dem Rathaus ein paar 98-Jährige.


Schöne und schwere Jahre
Gemeinsam mit Frau Erna (94), geborene Runge, genießt Fritz Rüthemann in einem schönen Einfamilienhaus den Lebensabend und die Nähe zur gemeinsamen Tochter Elke Kraft. Er ist wie seine Frau ein Kind der Wesermarsch. Er wuchs in Strückhausen (Gemeinde Ovelgönne) auf, sie in Schwei (Stadland). Kennengelernt haben sich die beiden allerdings erst auf dem Neujahrsball des Jahres 1949.

Rüthemann hatte da schon viele schöne, aber auch schwere Jahre hinter sich. Zu ersteren zählen die Kindheit in Strückhausen mit Besuch der Volksschule, Konfirmation in der St. Johanniskirche und der Banklehre (1934 bis 1937) in der Spar- und Darlehnskasse – der späteren Raiffeisenbank. Sein Vater war Landarbeiter und Hausschlachter, versorgte auf diese Weise eine große Familie mit Frau und elf Kindern. Fritz war in dieser langen Reihe das siebte.

Als junger Mann wechselte er nach Petersfehn (Bad Zwischenahn), wieder zu einer Genossenschaftsbank. Dann, am 1. Januar 1940, wurde der damals 20-Jährige zur Marineartillerie eingezogen. Grundausbildung in Brake, dann Verlegung nach Cuxhaven, Stationierung in den Niederlanden, ab 1942 sogar in Tunesien, so lauten die weiteren Stationen. Im Mai 1943 folgte die Kriegsgefangenschaft mit anschließender Weltreise. „Wir wurden zuerst nach Boston an die Ostküste der USA geleitet, danach im Zug quer durchs Land bis nach Kalifornien“, erzählt er. Rüthemann wurde gezwungenermaßen Landwirtschaftshelfer, pflückte Pfirsiche und auch Baumwolle. „Das war gar nicht so einfach“, erinnert er sich noch gut.


Warten auf Wohnung
So ging das bis nach Kriegsende, dann ging es weiter nach England, wo er bis 1947 in Gefangenschaft blieb. Im April 1947 brachte ihn ein Schiff nach Cuxhaven, in die Freiheit. Seinen alten Lebensmittelpunkt in Strückhausen fand er im November des gleichen Jahres wieder. Damals begann er als Buchhalter in der Landwirtschaftlichen Bezugsgenossenschaft – der späteren Raiffeisenwarengenossenschaft – zu arbeiten. „Ich bin dort bis zur Rente, 35 Jahre später, geblieben“, erzählt er. 1950 verlobte er sich mit seiner Erna, die damals bei der Landessparkasse Brake arbeitete. Auch nach der Hochzeit am 8. September 1951, einem Tag nach seinem 32. Geburtstag, führten die beiden eine Wochenendbeziehung. Die simple Erklärung: Es fehlte an einer geeigneten Wohnung. Erst im Oktober 1952 wurden zwei Zimmer auf einem Bauernhof im drei Kilometer entfernten Colmar frei. Am 18. Februar 1953 kam die einzige Tochter Elke zur Welt. Heute gehören auch noch zwei Enkelsöhne und ein Urenkelkind zur Familie.

1960 folgte der Umzug in eine Wohnung über der Genossenschaft, seit 1984 lebt das Ehepaar nun in Streekermoor im eigenen Haus am Nelkenweg. Fritz Rüthemann ist der letzte Verbliebene der insgesamt elf Geschwister. Aber in Brake, Ovelgönne und Strückhausen gibt es noch viele Verwandte und Bekannte. „Was, der ist 100 geworden?“ – so stellt sich der Jubilar zumindest die Verblüffung vieler, die ihn von früher kennen, lebhaft vor und lächelt verschmitzt.


Leben wie im Urlaub
Verreist ist er kaum in seinem Leben. Vielleicht liegt es daran, was er alles im Krieg erlebte. Vielleicht aber ist auch Streekermoor Schuld. „Wir haben hier die schöne Natur, den Wald, die Wiesen und das Wasser direkt vor der Haustür“, sagt er, „das ist wie Urlaub.“ Viele gemeinsame Radtouren und Spaziergänge haben er und seine Frau genossen. Mit dem heutigen Tag ist Fritz Rüthemann so alt wie ein ganzes Jahrhundert. Gefeiert wird der große Tag im engsten Familienkreis.